Herz-Eigentümer Gerhard Glinzerer expandiert seit fast drei Jahrzehnten und ist zu einem Global Player in der Gebäudetechnik gereift. Mit Armaturen, Regeltechnik, Biomasse-Kesseln und Dämmung versteht sich die Gruppe als Effizienz-Anbieter. Im Building Times-Exklusivinterview spricht Glinzerer über weiteres Wachstum, den Fachkräftemangel, ausgeprägte Kundenbeziehungen und Eigenheiten der Branche.
Nächstes Jahr steht bei der Herz Armaturen GmbH ein runder Geburtstag an. 1989, also vor nunmehr 30 Jahren, hat sich Gerhard Glinzerer in das damals kränkelnde Unternehmen eingekauft. Herz bestand aus dem Standort Wien, einer Tochter in Deutschland und einer kleinen Fertigung in Sebersdorf. Das Portfolio war auf Armaturen fokussiert und der Umsatz lag bei rund 13 Millionen Euro. Fünf Jahre später übernahm der gebürtige Steirer die Firma zur Gänze. Schon damals war absehbar, dass kein Stein auf dem anderen bleiben würde. Glinzerer hat stetig zugekauft und erweitert. Heute ist Herz eine potente Gebäudetechnik-Industriegruppe, die mit mehr als 3.000 Beschäftigten aktuell einen Umsatz von rund 450 Millionen Euro erwirtschaftet.
Die Gruppe verfügt über 31 Produktionsstandorte im In- und Ausland und ist einer der bedeutendsten Hersteller von Armaturen, Fittingen, Regelungen und Thermostatventilen für die Hausinstallation im Bereich Heizung, Kühlung, Sanitär und Gasinstallationen weltweit. Darüber hinaus ist Herz mit der Energietechnik und Binder auch führender Produzent von Biomasse-Kesseln bis 20.000 Kilowatt und von Wärmepumpen sowie mit der Hirsch Servo AG Produzent von Dämmstoffen aus expandiertem Polystyrol, Polypropylen und Polyethylen. Gerade Hirsch ist zuletzt wuchtig gewachsen. Bei der Übernahme 2014 betrug der Umsatz rund 90 Millionen Euro, heute sind es 240 Millionen. Maßgeblich dafür sind jüngste Zukäufe von insgesamt sieben EPS-Produktionen in Deutschland. Drei Werke stammen von Saint Gobain und vier Fabriken von Isobouw, wo Herz sich die Eigentümerschaft (66 %) mit der norwegischen Bewi-Gruppe (34 %) teilt. Damit beschäftigt Hirsch allein rund 1.000 Mitarbeiter an 21 Standorten in sieben Ländern und ist der größte europäische EPS-Verarbeiter.
Trotz der Größe der Herz-Gruppe hat Glinzerer noch reichlich Bodenhaftung. Er ist auf der Energiesparmesse Wels ebenso anzutreffen wie auf der ISH in Frankfurt, wo er Kunden aus der ganzen Welt begrüßt. Und er sitzt viel im Flieger, um Kunden zu besuchen, die mit ihren Bestellungen Herz zu dem gemacht haben, was es ist – ein kleiner Global Player. Mit Produkten und Lösungen, bei denen die ganze Welt der Marktplatz ist. Biomassekessel stehen in Südafrika, Binder-Anlagen in Lateinamerika, und in der russischen Antarktisstation sind Herz-Armaturen verbaut. Und Hirsch-Maschinen stehen in Nordamerika, Ostasien und China.
Building Times: Hr. Glinzerer, vor sieben Jahren haben Sie nach einigen Zukäufen gesagt, dass man nie ganz zufrieden sein könne. Damals machte Herz 130 Mio. Euro Umsatz. Seither hat sich der Umsatz der Gruppe mehr als verdreifacht. Sind Sie nun zufrieden? Glinzerer: Man kann nie ganz zufrieden sein, es gibt immer Optimierungsbedarf. Und man hat auch kein Abonnement darauf, dass alle Dinge immer so funktionieren, wie man möchte. Das heißt, es gibt ständig Verbesserungsbedarf, und wir arbeiten daran.
Building Times: Wie hoch ist das Umsatzvolumen der Gruppe aktuell? Glinzerer: Nach den jüngsten Zukäufen in Deutschland liegen wir beim Umsatz bei rund 450 Millionen Euro. Die erst kürzlich getätigte Akquisition bewegt sich im dreistelligen Millionenbereich. Dabei geht es um insgesamt um sieben Standorte für EPS. Und wir haben bei Hirsch in der Ukraine zwei neue Standorte errichtet. Einer läuft bereits, ein weiterer folgt demnächst. Auch in Rumänien haben wir Zukäufe getätigt.
Building Times: Gibt es schon Ideen für weitere Zukäufe? Glinzerer: Wenn sich etwas ergeben würde, schaut man es sich gerne an. Wir suchen aber nicht aktiv nach Produkterweiterungen. Wenn, dann geht es eher in die geografische Erweiterung. Wir haben in beiden Amerikas eine schwache Position. In Lateinamerika sind bereits China, Italien und Spanien stark vertreten. In den USA ist es nicht so einfach zu punkten, da die Standards ganz andere sind.
Building Times: Mit Hirsch Servo sind Sie auch im Bereich der Wärmedämmung tätig. Damit geht Heizlast verloren. Sie stört das nicht? Glinzerer: Es ist ganz normal, dass Gebäude gedämmt werden. Und wenn wir das machen und dabei noch andere Hirsch-Produkte, wie etwa Noppenplatten für Fußbodenheizungen, zum Einsatz kommen, so habe ich überhaupt kein Problem damit. Wir können dem Kunden mit der Kombination aus Gebäudetechnik und Heiztechnik einerseits und der Dämmung andererseits ein noch breiteres Portfolio aus einer Hand bieten.
Building Times: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie in Österreich und weltweit? Glinzerer: Hierzulande sind es rund 800 und insgesamt mehr als 3000.
Building Times: Werden es hierzulande noch mehr? Glinzerer: Ja, es gibt noch Potenzial. Man muss aber auch das Personal dazu finden. Dreher, Mechatroniker, Elektriker und andere motivierte Facharbeiter laufen nicht frei herum.
Building Times: Das ist in Polen oder anderswo einfacher? Glinzerer: Das ist inzwischen nirgendwo einfacher, weil wir eine Arbeitsmigration haben. Simplifiziert dargestellt arbeiten die Polen in England, Deutschland und Holland. Die Ukrainer arbeiten in Polen und Tschechien. Dazu kommt, dass Fabriken sich in der Ukraine ansiedeln, weil Polen, Tschechien und Bulgarien leergefegt sind und keine Mitarbeiter zu finden sind. Das gilt übrigens auch für Kroatien. Wenn Sie dort einen Installateur brauchen, haben Sie ein Problem, weil alle Fachkräfte schon in Deutschland sind.
Building Times: Wie verteilt sich der Umsatz auf die unterschiedlichen Sparten? Glinzerer: Gut die Hälfte entfällt auf Hirsch Servo. Etwa 10 Prozent machen Kessel und Biomasse aus, und der Rest verteilt sich auf die Produkte der Sparte Armaturen.
Building Times: Wo liegen die Feinarmaturen? Glinzerer: Im niedrigen zweistelligen Bereich. Das jüngste Modell wurde allerdings in Wien designed. Wir haben gute Erfolge mit diesen Armaturen in Ex-Jugoslawien und in Lettland, Litauen und in der Ukraine. Dort laufen sie auch unter der Marke Herz.
Heute ist Herz eine potente Gebäudetechnik-Industriegruppe, die mit mehr als 3.000 Beschäftigten aktuell einen Umsatz von rund 450 Millionen Euro erwirtschaftet
Building Times: Ist das auch in Österreich geplant? Glinzerer: Eher nicht, der Markt ist sehr voll. Aber wenn wir schon ein Modell haben, das hier gestaltet wurde, so soll man es auch kaufen können.
Building Times: Sie sind auch ein Exportkaiser. Werden Sie von der heimischen Politik dabei ausreichend unterstützt? Glinzerer: Wir haben eine Exportquote von rund 80 Prozent. Ein wesentlicher Teil unserer Produkte wird aber nicht in Österreich hergestellt.
Building Times: Trotzdem, reicht die Unterstützung der Politik? Glinzerer: Die Unterstützung der Außenhandelsstellen und -delegierten der Wirtschaftskammer funktioniert sehr gut. Das haben wir besonders im arabischen Raum zu schätzen gelernt. Die Politik selbst behindert uns nicht, unterstützenswert sind wir aber mit unseren paar Hundert Beschäftigten nicht.
Building Times: Österreich hat seit Kurzem eine neue Energiestrategie. Auch europaweit wird viel angekündigt. Glauben Sie, dass die kommenden Jahre gut für Ihr Geschäft werden? Glinzerer: Im Bereich der Regeltechnik sehe ich wenig Unterstützung. Ein Gutteil unserer Produkte dieser Sparte geht in die Sanierung, da spielt die Politik eine geringe Rolle. Und wenn Sie heute in Ministerien gehen, sehen Sie Herz-Armaturen aus den 50iger- und 60iger-Jahren. Die halten ewig, womit der Sanierungsbedarf gering ist. Bei Biomasse und Wärmepumpe könnte es einen positiven Effekt geben.
Building Times: Bei der Biomasse gab es einen heftigen Knick. Lässt sich das bei Herz mit der Wärmepumpe ausgleichen? Glinzerer: Derzeit nicht. Wir sind in der Wärmepumpe nicht so positioniert, arbeiten aber daran. Aber, und das ist erfreulich: Im Bereich der großen Biomasse gibt es sehr rege Nachfrage. Bei diesen Anlagen geht es oft nicht nur um Wärme, sondern auch um die Entsorgung von Problemstoffen, wie etwa Hühnermist, aus dem elektrische Energie erzeugt wird. Wir sind aber auch in diesem Segment mit dem Fachkräftemangel konfrontiert. Für Elektronik, Elektrik und Inbetriebnahme brauchen wir Leute, die auch bereit sind, zu reisen und zwei oder drei Wochen im Ausland zu verbringen.
Building Times: Haben Sie eine Idee, wie dem Arbeitskräftemangel begegnet werden könnte? Glinzerer: Das wird sich von selbst lösen, wenn eine andere Politik eine Zinsanhebung bringt, dann wird das einen entsprechenden Einfluss haben. Die andere Seite ist das theoretische Potenzial, das in Wien sehr wohl vorhanden wäre. Wie man diese jungen Menschen aber motivieren kann, weiß ich nicht. Ich sehe das bei uns sehr klar. Wesentliche Mitarbeiter der Sparte Armaturen haben Migrationshintergrund. Diese Kollegen sind bereit, eine Woche nach Tadschikistan oder sonst wohin zu reisen. Ein Wiener Absolvent der WU oder einer FH ist dagegen schwer für solche Aufgaben zu gewinnen. Mein Eindruck ist, dass aus der Work-Life-Balance längst eine Life-Work-Balance geworden ist. Als exportorientiertes Unternehmen brauchen wir jedoch Mitarbeiter, die motiviert sind hinauszugehen, denn das Internet hilft uns wenig. Was am Ende zählt, ist der persönliche Kontakt.
Building Times: Hierzulande stehen manche Projekte, weil die Ausführenden fehlen. Gibt es das in anderen Ländern auch? Glinzerer: Ja, leider. Deutschland ist bekannt dafür, aber man hört auch, dass in Kroatien die Leute fehlen.
Building Times: Kann die Industrie da noch weiter mit Vorfertigung punkten, um den Aufwand auf der Baustelle zu verringern? Glinzerer: Wir haben heute schon Pumpengruppen, Wohnungsstationen und vieles mehr. Es wird heute schon sehr viel industriell vorgefertigt, was die Installationen schneller und fehlerfreier macht. Dieser Trend geht sicher weiter. Aber wir haben einen hohen Anteil an Sanierung, da lässt sich nicht alles neu installieren. Das ist übrigens auch ein Vorteil unserer Branche: Wir haben stabile Verhältnisse. Wir haben nicht den Innovationsdruck der Mode oder der Telekommunikation. Das würde auch Installateure und Planer überfordern. Wir müssen in Österreich einige Millionen Gebäude instand halten. Die Industrie muss also auch die Produkte dazu liefern.
Building Times: Die Kühlung von Gebäuden nimmt einen immer größeren Stellenwert ein. Profitieren Sie davon? Glinzerer: Ja, wir haben bei Universa Produkte wie Kühldecken und Ähnliches und im Bereich Kaltwasser eine sehr breite Produktpalette. Das reicht von der Strangregulierung über Kombiventile bis hin zu vorisolierten Anschlussgarnituren für Fancoils. Da verkaufen wir sehr große Stückzahlen im arabischen Raum und auch in Vietnam.
Building Times: Welche Produktgruppe macht Ihnen im Moment am meisten Freude? Glinzerer: Der Bereich der Strangregulierung entwickelt sich sehr stark. Und zwar von kleinen statischen und dynamischen Ventilen bis hin zu DN 500. Der hydraulische Abgleich hat sehr an Bedeutung gewonnen, vor allem auch im Bereich der Kaltwasseranlagen, wo die Reserven im Normalfall geringer sind als bei Heizungsanlagen.
Building Times: Es gibt wenige Konzerne, wo die nach außen auftretende Führungsspitze so klar ist – mit Ihnen selbst. Wäre Ihr Dasein nicht mit einer starken zweiten Managementebene bequemer? Glinzerer: Die zweite Ebene gibt es natürlich. Wir haben in Wien für jeden Bereich Verantwortliche. Hirsch Servo hat eine eigene Struktur, die mit Vorstand und lokalen Geschäftsführern arbeitet. Wir haben in jeder Gesellschaft Geschäftsführer, aber halt nicht an einem Standort. Das ergibt sich durch die Zukäufe und die vielen Standorte.
Building Times: Sie verbringen also die meiste Zeit damit, Bilanzen zu lesen? Glinzerer: Nein, die meiste Zeit verbringe ich mit Kunden und bei den Tochterfirmen. Ich war gerade in Italien, nächste Woche bin ich in Zagreb, danach in Bosnien. Überall dort besuche ich Kunden. Das hat alles eine Geschichte: Vor rund 30 Jahren war Herz vergleichsweise klein, und wir hatten kleine Kunden in vielen Ländern, mit denen der direkte Kontakt gepflegt wurde. Es würde mir schwerfallen, zu den langjährigen Kunden jetzt einen Exportmanager zu entsenden.
Building Times: Das ist aber eher unüblich in dieser Größenordnung, oder nicht? Glinzerer: Ja, aber auch ein großer Vorteil. Denn der Herr Danfoss oder andere Größen kommen nicht. Die Leute dort wissen es aber enorm zu schätzen, wenn ein Unternehmer aus Westeuropa zu ihnen kommt. Umgekehrt kommen die Partner aus diesen Ländern aber zu uns.
Building Times: Erhalten Sie viele Übernahmeangebote? Glinzerer: Ja, es werden immer wieder Unternehmen an uns herangetragen. Und es gibt auch immer wieder Anfragen bezüglich Herz selbst. Zukäufe sehen wir uns an, ein Verkauf ist kein Thema, weil damit immer eine Zerteilung verbunden wäre. Wir haben diese jetzige Struktur geschaffen, um den Bereich Energieeffzienz mit der Regeltechnik, der Heiztechnik und der Dämmung möglichst umfassend abzudecken.